Aktuell

Rede zur Eröffnung des Bahnhofs Wildegg

Rede zur Eröffnung des Bahnhofs Wildegg

Am 9. November 2024 konnte nach 2.5 jähriger Bauzeit der neue Bahnhof Wildegg eröffnet werden. Anlässlich des offiziellen Teils durfte ich als Gemeindeammann eine Rede an die Bevölkerung richten.

Sehr geehrter Herr Regierungsrat, lieber Stephan
Sehr geehrter Herr Berchtold, lieber Michel
Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger
Sehr geehrte Gäste
Sehr geehrte Pressevertreter
Sehr geehrte Damen und Herren

Was für ein wunderbarer Tag für Möriken-Wildegg, was für ein historischer Tag für unseren Bahnhof Wildegg. Im Namen des Gemeinderats Möriken-Wildegg heisse ich Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserem Bahnhofsfest. Es freut mich, dass nach mir der Herr Regierungsrat Stephan Attiger und Herr Michel Berchtold, Leiter Region SBB Mitte, ein Grusswort an Sie richten werden. Zum Schluss des offiziellen Teils wird Pfarrer Martin Kuse eine Segnung vornehmen bevor offiziell das Band durchgeschnitten wird.

Ich danke allen, die sich in irgendeiner Art am heutigen Bahnhoffest beteiligen. Der Musikgesellschaft, der Metzgerei Schnyder, der Bäckerei sempreeinsieme, Postauto, RBL, dem Verein Dampfgruppe Zürich, dem Verein Altes Stellwerk und dem Schotterplatz. Nutzen Sie die einmalige Gelegenheit, Mobilität mit all ihren Facetten zu erleben, die Eisenbahn im Gross- wie im Miniformat, Busse mit neusten Technologien, das alte Stellwerk.

--

Lange haben wir auf diesen Moment hingearbeitet – gegrübelt, geplant, verhandelt, diskutiert, überzeugt, abgestimmt, gegraben, betoniert, geteert, gepflanzt. Nach 12 Jahren Planungs- und Realisierungszeit ist der Bahnhof Wildegg ein attraktiver, neuer Treffpunkt für alle Reisenden, die auf den Zug aufspringen wollen.

«Auf den Zug aufspringen» ist die perfekte Metapher für dieses Projekt. Erstmals hat der Gemeinderat 2010 in den Legislaturzielen festgelegt, zusammen mit den SBB dieses Areal entwickeln zu wollen. Als die SBB ihre Pläne für die Erneuerung der Bahnanlagen und die Anpassungen der Zugänge zu den Perrons gemäss Behindertengleichstellungsgesetz offenbarten, da war der Zeitpunkt gekommen, dass wir «auf den Zug aufspringen» und aus diesem prägenden Ort für unsere Gemeinde einen attraktiven Platz gestalten, der viele Reisende animiert, von Auto, Bus und Velo oder zu Fuss auf den Zug umzusteigen.

So wie dies seit 1858 an diesem Ort geschieht. Bekanntlich ist die erste Bahnstrecke zwischen Baden und Zürich, die Spanisch-Brödli-Bahn, 1847 eingeweiht worden. Diese sollte dann in Richtung Westen erweitert werden und es hat sich die Frage gestellt, ob die Lücke zwischen Baden und Aarau über Mellingen – Lenzburg oder über Brugg – Wildegg geschlossen werden soll.

Zum Glück für Wildegg haben der Regierungsrat und Grosse Rat entschieden, die Nordostbahn zwischen Baden und Aarau über Brugg – Wildegg zu führen. So ist der Bahnhof Wildegg 1858 entstanden. Am 15. Mai 1858 ist der erste Zug über diese Strecke gefahren. Bis zur Eröffnung der Heitersberglinie im Jahr 1975 ist der Hauptverkehr zwischen Ost und West hier durchgerollt. Das ist auch der Grund gewesen, warum 1895 die Seetalbahn bis Wildegg verlängert worden ist, weil Lenzburg den Anschluss an diese wichtige Hauptverkehrsachse gesucht hat.

Nachdem Wildegg bereits im 18. Jahrhundert eine industrielle Blüte erlebt hat, hat der Bau der Eisenbahn im 19. Jahrhundert für einen weiteren Schub gesorgt. Es dürfte einer unter anderen Gründen gewesen sein, warum Friedrich Rudolf Zurlinden veranlasst hat, hier in Wildegg im Jahr 1890 ein Zementwerk zu erstellen. Ein Ort mit Bahnanschluss, der sich bis heute bewährt und der Wildegger Zement so auf der Schiene in die ganze Schweiz transportiert werden kann.

Wer weiss, wie unsere Gemeinde heute aussehen würde, hätten sich Regierungsrat und Grosser Rat vor über 160 Jahren gegen die Linienführung über Wildegg entschieden?

Der Bahnknotenpunkt Wildegg ist bis heute geblieben. Nicht nur für unsere Gemeinde, sondern für eine ganze Region, die von Niederlenz bis nach Thalheim geht. Die Bedeutung ist auch dem Kanton bewusst, hat er doch den Bahnhof Wildegg als öV-Drehscheibe von regionaler Bedeutung klassifiziert. Umso konsequenter ist es, diesen Knotenpunkt nicht zu einem Bahnhof dritter oder sogar vierter Klasse verkommen zu lassen. Ein definitives Streichen des RegioExpress-Haltes wäre ein Brechen mit den kantonalen Vorgaben aus dem Richtplan des Kantons Aargau, der die Abstimmung von Siedlung und Verkehr vorsieht.

Wir zählen also darauf, dass sich Regierungsrat und Grosser Rat nach mehr als 160 Jahren wieder für Wildegg aussprechen. Herr Regierungsrat, Möriken-Wildegg zählt auf Sie.

Unser neuer Bahnhof hat drei Blickfänge. Da ist zum einen unser «Bären»-Brunnen aus dem 19. Jahrhundert. Dieser historische Muschelkalkbrunnen, der an der Vorderseite mit einem Stern verziert ist, stand am alten Ort oberhalb des Bären etwas verloren herum. Wir haben ihn aufwändig restaurieren lassen. Als Wildegger Zeitzeuge kommt er nun am Bahnhof ausgezeichnet zur Geltung und dürfte den Reisenden als Erfrischung dienen.

Dann zwei Elemente, die eine Hommage an die industrielle Geschichte von Wildegg darstellen. Erstens das markante Dach: Die Zementi ist seit 1890 bis heute in unserer Gemeinde fest verankert. Und neben der Zementi ist auch die Forschungsinstitution TFB in Wildegg zu Hause. Deshalb war für uns immer klar, dass bei uns kein SBB-Standarddach erstellt wird, sondern ein grosszügiges Dach, das mit seinem architektonischen Ausdruck überzeugt und trotz der Materialisierung in Beton Leichtigkeit, Offenheit und ein Gefühl des Ankommens versprüht.

Zweitens die Lichtskulptur am neuen Gebäude auf dem Baumplatz. Sie erinnert an die Hochblüte der Indienne-Druckindustrie. Händler haben vor rund 300 Jahren Baumwollstoffe aus Asien nach Europa gebracht. Mit dem Druck- und Färbeverfahren des sogenannten Indienne-Drucks sind diese Baumwollstoffe mit bunten, floralen Mustern bedruckt und gefärbt worden und sind dadurch so attraktiv wie Seide, nur preiswerter gewesen.

Wildegg war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Hochburg der Indienne-Druckindustrie im deutschsprachigen Raum der heutigen Schweiz. Die Lichtskulptur nimmt diese blumigen Muster des Indienne-Drucks auf und gibt ein warmes Licht ab, das uns hier am Bahnhof das Gefühl des Heimkommens vermitteln wird.

--

Zum Schluss möchte ich allen danken, die in irgendeiner Art zum Gelingen dieses Projekts beigetragen haben. Speziell danken möchte ich allen Anwohnerinnen und Anwohnern sowie dem Gewerbe. Sie haben in den letzten Jahren viel an Lärm, Staub und Verkehrschaos erdulden müssen. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld, Ihre konstruktiv geäusserte Kritik, wenn etwas nicht so funktioniert hat wie geplant, und Ihr Verständnis für die Unannehmlichkeiten, die sie in den vergangenen Jahren gehabt haben.

Ich danke Ihnen für Ihr Kommen, ich wünsche Ihnen eine erlebnisreiche Feier und ich wünsche allen eine gute Reise, ab und nach Wildegg.

Jetzt teilen:

Weitere Beiträge

02.12.2024
Gute Neuigkeiten fürs Eigentum im Advent

Der heisse Wahl- und Abstimmungsherbst ist vorbei. Bei den kantonalen Wahlen wurden jene Kräfte gestärkt, die für den Schutz des privaten Eigentums einstehen. Das sind gute Neuigkeiten für das Wohneigentum im Aargau und verspricht für die neue Legislatur 2025–2028 eine andere Prioritätensetzung in der kantonalen Politik. Und die Abstimmungen zu den beiden Mietrechtsvorlagen sind ebenfalls Geschichte.

Mehr erfahren
11.11.2024
Totalrevision Schulgesetz braucht Korrekturen in der 2. Beratung – Durchzogene Bilanz für freisinnige Anliegen

Nachdem die Debatte über die Totalrevision des Aargauer Schulgesetzes am 22. Oktober 2024 gestartet wurde, fand sie am 5. November 2024 ihren Abschluss. Nochmals waren starke freisinnige Argumente gefragt, die aber auch dieses Mal nur teilweise zum Erfolg führten. So bleibt die Bilanz nach der 1. Beratung sehr durchzogen. Zwar wurden viele FDP-Anträge mit Zustimmung des Regierungsrats diskussionslos genehmigt, doch in wichtigen Punkten fand die FDP (noch) keine Mehrheit.

Mehr erfahren