Mit unserer Freiheit verhält es sich (fast) gleich. Sie wird täglich Stück für Stück kleiner, wir merken es aber kaum. Doch wenn wir zurückblicken, dann wird uns klar, dass unsere Freiheit immer stärker eingeschränkt wird. Wie komme ich bloss zu so einer Behauptung? Schauen wir uns zwei Beispiele an, welche uns Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer betreffen.
Besonders erschreckend ist die Zunahme an gesetzlichen Bestimmungen und Normen im Bereich des Bauens. Manchmal frage ich mich als Hochbauvorsteherin in meiner Gemeinde, wie es eigentlich überhaupt noch möglich ist, etwas zu bauen. Auflagen über Auflagen, Formular um Formular, lange Bewilligungsverfahren. Gerade eben habe ich eine Baubewilligung von 1932 gesehen: 2 Zeilen, von Eingabe des Baugesuchs bis zur Bewilligung verstrichen wenige Tage. Gewiss: Die Welt ist komplizierter geworden, aber muss das wirklich alles sein?
Oder nehmen wir das Gewässerschutzgesetz. Was sicher gut gemeint ist und ausserhalb der Bauzon Sinn macht, führt innerhalb der Bauzone zu Situationen, in welchen Grundeigentümer faktisch enteignet werden. Nehmen Sie an, Sie besitzen eine Parzelle, die zwischen einer Kantonsstrasse und einem Fliessgewässer liegt. Aufgrund des Kantonsstrassenabstandes und des Gewässerraumes kann es dann vorkommen, dass Ihnen gerade noch ein schmaler Streifen bleibt, den Sie überbauen dürfen. Glücklich ist, wer bereits gebaut hat, dann gilt Besitzstandgarantie. Ich rate Ihnen aber, Ihre Liegenschaft nie abzubrechen und einen Ersatzneubau zu erstellen, auch wenn dies im Sinne des Energiegesetzes durchaus erwünscht wäre.
Aufgrund von neuen Gesetzen, die letztlich leider selten bis zur Umsetzung vor Ort durchdacht sind, werden wir in unserer Handlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt. Und ist einmal etwas Gesetz, so ist es unglaublich schwierig, eine Korrektur herbeizuführen. Deshalb bin ich gegenüber neuen Gesetzen grundsätzlich immer kritisch: Erreichen wir mit dem Gesetz wirklich das gewünschte Ziel? Ist das Gesetz wirksam oder gäbe es nicht auch einen anderen Weg? Haben wir die Konsequenzen daraus wirklich richtig abgeschätzt?
Doch im Unterschied zum Altern verbleibt bei der Freiheit ein Hoffnungsschimmer. In seltenen Fällen gelingt es, mit Gesetzesrevisionen mehr Freiheit zu gewinnen – hierfür braucht es aber definitiv einen langen Atem: Exakt 8 Jahre nach dem ersten Versuch, das Kaminfegerwesen im Aargau zu liberalisieren, gelang es Ende 2021 im zweiten Anlauf. Voraussichtlich ab 1. Januar 2022 können Sie den Kaminfeger selber auswählen.
Ich fokussiere mich darauf, was ich ändern kann, nicht auf das, was ich nicht ändern kann. Deshalb kümmere ich mich nicht um das Altern, zumal ich es ja nicht jeden Morgen bemerke, und werde stattdessen weiterhin dafür kämpfen, möglichst viel an Freiheit zurückzugewinnen – oder zumindest zu behalten.