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Wie steht es um die Qualität unserer Volksschule?

Wie steht es um die Qualität unserer Volksschule?

Das Leitthema «Schule trifft Wirtschaft» veranlasst mich, über unsere Volksschule ein paar Zeilen zu verlieren, denn sie schafft die Grundlagen für den erfolgreichen beruflichen Werdegang. Doch wie steht es um die schulische Qualität unserer Jugendlichen, wenn sie aus der obligatorischen Schule aus- und ins Berufsleben eintreten?

Für was soll Schule gut sein? Diese Frage habe ich mir bereits als Schülerin gestellt. Als Politikerin stelle ich mir diese aber viel häufiger. Meine Haltung dazu ist klar: Die Schule muss die Kinder und Jugendlichen auf die Herausforderungen des Lebens vorbereiten, also v.a. «Fit machen» für das Bestehen in der Arbeitswelt. Nach Absolvieren der obligatorischen Schulzeit sind hierzu Grundkompetenzen zu beherrschen: eine perfekte Deutsche Sprache und mathematische Fähigkeiten. Ohne sie wird es schwierig, jegliche neue Sprache zu lernen, sich in geisteswissenschaftlichen Fächern wie Geschichte oder Ethik auszudrücken oder Verständnis für physikalische und chemische Themen oder Informatik zu entwickeln.

Nur, wie steht es um diese Grundkompetenzen? Wenn ich mit Verantwortlichen von Ausbildungsbetrieben, Gymnasiallehrerinnen und -lehrern, Professorinnen und Professoren von Universitäten spreche, dann hat die Qualität über die letzten 15 bis 20 Jahre markant abgenommen. Insbesondere bei den sprachlichen Fähigkeiten sei das Niveau deutlich schlechter geworden. Das sind zwar subjektive Aussagen, doch von Personen, die seit Jahrzehnten täglich mit jungen Menschen zu tun haben.

 

Wissen vor Kompetenzen

Ursache für die schlechtere Qualität kann kaum der Lehrplan 21 sein, der eben erst im Kanton Aargau eingeführt wurde. Die Kompetenzorientierung im Lehrplan 21 stimmt mich dennoch wenig optimistisch, dass die Kinder und Jugendlichen in den Grundkompetenzen wie lesen, schreiben und rechnen künftig besser werden. Ich vergleiche es mit dem Tennissport: Wenn ich die Vorhand im Training nicht 1000mal cross gespielt habe, dann kann ich diese in einem Match auch nicht zum richtigen Zeitpunkt anwenden. Ich kann Kompetenzen erst anwenden, wenn ich sie wirklich trainiert habe. Ich kann erst mit der Sprache spielen und ein spannendes Buch schreiben, wenn ich perfekt Deutsch kann. Auch der neue pädagogische «Gag» der Lernlandschaften stimmt mich pessimistisch: Die Jugendlichen sollen nach einem Input durch die Lehrperson eigenverantwortlich lernen. Wie viele können das? Und wie viele sind überfordert damit?

Vielleicht liegt der Hund in der ungestümen «Reformitis» der letzten 20 Jahre begraben, bei denen sich die Politik zu stark von Pädagogik und dem Willen zur Harmonisierung leiten lassen hat. Um nur ein paar Reformen zu nennen: Integrative Beschulung, Verlegung des Einschulungsstichtags auf den 31.7., Einführung von Frühfremdsprachen bereits in der 3. und 5. Klasse, Ablösung des aargauischen Modells 5/4 durch 6/3, Abschaffung der Repetition und der Bez-Abschlussprüfung.

 

Dringender Korrekturbedarf

Die Modell- und Frühfremdsprachenfragen sind gegessen. Aber bei den anderen Themen sehe ich es als meine Verantwortung, diese «heiligen Kühe» ernsthaft zu hinterfragen. So gehört die exzessive Auslegung der integrativen Beschulung gestoppt. Wenn sie nämlich dazu führt, dass Kinder mit erheblichem Betreuungsaufwand in der Regelklasse unterrichtet werden müssen, sodass die Lehrperson mehr betreuend, denn pädagogisch tätig ist, dann haben wir das Mass des Tolerierbaren überschritten. Und bei allem Respekt: Absurd wird es, wenn Schülerinnen und Schüler die Maturität mit einem Nachteilsausgleich erlangen können.

Noch ein Gedanke zum Schluss: Wir sollten die Kinder nicht in Watte packen. Sie dürfen keinen Gefahren ausgesetzt sein, deshalb werden sie mit dem elterlichen Taxi in die Schule gebracht, sie dürfen keine schlechten Erfahrungen machen, weshalb sie auch für ungenügende Leistungen keine schlechten Noten erhalten, sie haben Schwierigkeiten und erhalten dafür eine Lernzielanpassung. So wird das nichts mit den Herausforderungen des Lebens.

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