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Korrigieren Mitte, FDP und SVP das Energiegesetz dieses Mal gemeinsam?

Korrigieren Mitte, FDP und SVP das Energiegesetz dieses Mal gemeinsam?

Der Grosse Rat ringt um ein neues kantonales Energiegesetz. Aufladen oder entschärfen? Das ist die Frage, die sich das Parlament stellen muss. Wünschenswert wäre, wenn sich Mitte, FDP und SVP auf ein Gesetz einigen könnten.

Nun hat also der Regierungsrat seine Vorstellungen für ein neues aargauisches Energiegesetz dem Grossen Rat zur Beratung unterbreitet. Nach der Annahme des Klimaschutzgesetzes im Juni will der Regierungsrat gerade noch ein paar Briquettes nachlegen. 

Noch nie wurden so viele Wärmepumpen verkauft wie 2022, die Gemeinden werden von Baugesuchen für einen Heizungsersatz überhäuft und der vom Kanton Aargau in der Energiestrategie festgelegte Absenkungspfad für den Energieverbrauch wird «untertroffen». Zusätzlich wurden die Subventionen im Gebäudeprogramm massiv erhöht und werden aufgrund der Annahme des Klimaschutzgesetzes weiter ansteigen.

Der HEV Aargau hat sich in der Anhörung deshalb weiterhin kritisch gegenüber der Notwendigkeit eines Gesetzes geäussert. In Diskussionen mit dem Departement Bau, Verkehr und Umwelt haben wir die Türe aber einen Spalt weit offengelassen. Nur zeigt sich nun mit der Veröffentlichung der Botschaft, dass der Regierungsrat nicht gewillt ist, auf eine der Hauptforderungen des HEV Aargau einzutreten. Der HEV Aargau hat nämlich eine einfach anwendbare Härtefallklausel beim Heizungsersatz gefordert: Wer die finanziellen Eigenmittel nicht aufbringt, soll den Heizungsersatz nicht machen müssen.

Der Regierungsrat schlägt zwar eine Härtefallklausel vor, deren Ausgestaltung aber irritiert: Ein finanzieller Härtefall soll nur dann geltend gemacht werden können, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die eigenen Finanzmittel fehlten UND eine Finanzierung durch Dritte, bspw. eine Erhöhung der Hypothek, nicht möglich sei. Würde ein Energieversorgungsunternehmen anbieten, die Investition zu tätigen und lediglich die Kosten für Amortisation und Betrieb dem Eigentümer zu verrechnen (Wärmecontracting), so könne auch kein Härtefall geltend gemacht werden. Und schliesslich läge ebenfalls kein Härtefall vor, wenn zum Zeitpunkt der Handänderung eine fossile Heizung in Betrieb sei, die allenfalls demnächst eine Investition in den Heizungsersatz auslösen könnte.

Das bedeutet nichts anderes, als dass es jungen Familien praktisch verunmöglicht wird, eine ältere Liegenschaft zu kaufen. Die vorgeschlagene Regelung des Regierungsrats widerspricht demnach der Wohneigentumsförderung in der Bundesverfassung (Art. 108 BV). Und: Der Regierungsrat treibt seine Bürgerinnen und Bürger lieber in die (noch höhere) Verschuldung, als dass er eine einfache Härtefallregelung wie sie der HEV Aargau vorgeschlagen hat, akzeptieren würde.

Weiterer Kritikpunkt: Neu verlangt der Regierungsrat eine Meldepflicht beim Ersatz der Heizung, auch wenn heute bspw. unbürokratisch und bewilligungsfrei von einer Öl-Heizung auf einen Fernwärmeanschluss umgestiegen werden könnte. Und er verlangt sie auch beim Ersatz des Elektroboilers. Das bedeutet Aufwand für die Bauherrschaften und die Gemeinden für gar nichts und – aufgrund der kommunalen Baugebührenreglemente – wäre dies auch noch kostenpflichtig. Dem Regierungsrat geht es aber um mehr: Er will Daten, so viele und genaue Daten wie nur möglich, damit er künftig zentral steuern und weitere Verschärfungen erlassen kann. Big brother is watching you!

Schliesslich aber fällt vor allem etwas auf: Die Argumentation des Regierungsrats für die Notwendigkeit der Gesetzesrevision ist in der gesamten Botschaft sehr dünn und schwach.

Es finden sich zahlreiche Sätze wie: «Die Erfahrung aus den letzten Jahren zeigt, dass…» oder «Es muss aber davon ausgegangen werden, dass…» oder «… muss trotzdem damit gerechnet werden, dass noch einige tausend Stück im Einsatz stehen werden.» oder «Es existieren auf kantonaler Ebene aber keine Daten dazu, um die Entwicklung abbilden zu können. Aufgrund der Erfahrung aus den vergangenen Jahren kann aber davon ausgegangen werden, dass auf reiner Freiwilligkeit basierend, kein tiefgreifender und anhaltender Wandel im Verhalten stattfinden wird.» Harte, belegbare Fakten sehen anders aus. Im Gegenteilt: Es werden Studien mit einer Datengrundlage aus den Jahren 2012–2016 herangezogen. Die Zahlen aus der aktuellen und offiziellen Aargauer Energiestatistik passen eben nicht in die Argumentation.

Es ist zu hoffen, dass dieses Mal die Fraktionen von Mitte, FDP und SVP das Energiegesetz gemeinsam korrigieren und einerseits eine einfach anwendbare Härtefallregelung finden und andererseits sowohl die unnötigen administrativen Meldepflichten als auch den Sanierungszwang für Elektroboiler innert 15 Jahren aus dem Gesetz streichen. Dann käme das Gesetz langsam in eine Richtung, die für den HEV Aargau akzeptabel werden könnte – auch wenn der grundsätzliche Nutzen eines Gesetzes weiterhin in Zweifel gezogen wird.

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